1.3 Die Leuchtenburg



Vor ihrer Nutzung als Strafanstalt diente die an der Saale gelegene Leuchtenburg der Sicherung der Ostkolonisation. Die 1221 erstmals urkundlich erwähnte Burg ist eine Gründung der aus Franken stammenden und seit der Mitte des 12. Jahrhunderts an der Saale ansässigen Herren von Lobdeburg. Mehrfach wechselten die Besitzer der Burg (61).

1396 wurde das Amt der Wettiner auf die Leuchtenburg verlegt. "Das Amt Leuchtenburg wurde so von 1400 bis 1700 zeitweise für 120 Dörfer und 3 Städte höchste Gerichts-, Finanz-, Militär-, Polizei- und Domänenbehörde." (62) Einige Gefangene waren damit bereits vor dem Umbau der Burg zur Strafanstalt an diesem Ort untergebracht (63). Um 1700 (64) ist die Amtsverwaltung von der Leuchtenburg in die Kleinstadt Kahla (65) verlegt worden.

Seit 1554 gehört das Altenburger Gebiet wieder zum ernestinischen Teil (66). Die gleichberechtigte Erbfolge (67) führte zur kleinstaatlichen Zersplitterung des Territoriums, dieser soll hier nicht im einzelnen nachgegangen werden (68). Im Jahre 1724 gehörte die Leuchtenburg zu dem Kleinstaat Sachsen-Gotha-Altenburg, einem der vielen Kleinstaaten des Alten Reiches (69).

Nach Umbauarbeiten (1720-1724) ist die Burg von 1724-1871 als Zucht- (70) und Armenhaus (71) und mit der weiteren Differenzierung der Anstaltstypen auch als Irren-, Korrektions-, Arbeits- bzw. Landarbeitshaus sowie für Festungshaft und Staatsgefangene (72) genutzt worden. Drei Häftlinge befanden sich auf der Leuchtenburg in Untersuchungshaft. Für 62 Häftlinge gibt es in der Quelle keine Angaben zum Anstaltstyp in den sie eingeliefert wurden.

"Die 1744 erbaute Kirche erhielt 1824 eine von Gerhard in Dornburg erbaute Orgel." (73) Aus der Ortschronik (74) und den Ausführungen Muches (75) sind weitere Umbau- und Erweiterungsarbeiten an der Anstalt ersichtlich. Wesentlich vergrößert wurde die Anstalt durch den Neubau des Weiberzuchthauses (76) und die Aufstockung des Hauses des Hausverwalters (77).

Nach der Auflösung des Reiches (6. August 1806) (78) kommt es unweit der Burg bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zur vernichtenden Niederlage Preußens durch das napoleonische Frankreich.

1826 starb die Linie Sachsen-Gotha-Altenburg aus. Die sich hieraus ergebende dynastische Landesteilung führte zur Bildung eines eigenen Staates Sachsen-Altenburg (79). Erst nach der Bildung des Landtages 1831 und der sich hieraus ergebenden ständisch-konstitutionellen Reform (80) begann die Ablösung der bereits durch das Zustimmungsrecht der Stände zu den Steuern (81) beschränkten absolutistischen Regierungsweise des Fürsten (82). Im Ergebnis der Ereignisse von 1848/49, "die besonders in Sachsen-Altenburg entschieden revolutionären Charakter" (83) annahmen, kam es zu einer neuen Verfassung und der Bildung einer konstitutionellen Monarchie (84). Herzog Joseph von Sachsen-Altenburg, "wohl der unpopulärste und reformunwilligste Regent Thüringens" (85), dankte am 30. November 1848 ab (86).

Acht Gefangene des Dresdener Aufstandes von 1848 kamen in das Leuchtenburger Zuchthaus. 1867 trat auch Sachsen-Altenburg dem Norddeutschen Bund bei. Ein Einbruch der "großen Geschichte" wird in der Ortschronik Schloß Leuchtenburg 1838-1871 auch sprachlich deutlich. Bis 1870 wird von den Geburten, Hochzeiten und dem Sterben der herzoglichen Familie in Altenburg, der Ernte, dem Wetter, spektakulären Todesfällen oder Ausbruchsversuchen aus den Leuchtenburger Haftanstalten und der Anzahl der Insassen des Gefängnisses berichtet. Nun jedoch tritt für diese Quelle ein neues Wort auf den Plan: - deutsch - "drei große deutsche Armeen ... Deutschlands ... Segen für den Sieg der deutschen Waffen" (87). Sachsen-Altenburg ergriff "im Jahrzehnt vor der Reichsgründung ganz eindeutig die preußische Partei" (88). Der Staat Sachsen-Altenburg wurde bei der Reichsgründung 1871 föderativer Teil des neuen Nationalstaates.

Der Blick fällt somit nicht auf die Politik Preußens (89) bzw. der anderen europäischen Großmächte, sondern auf Sachsen-Altenburg, einen Kleinstaat des Alten Reiches.

Um 1800 war weniger als ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands im Gewerbe beschäftigt, "während zwei Drittel der Menschen in der Landwirtschaft arbeiteten" (90). Der Umfang der Beschäftigung im Heimgewerbe kann nicht angemessen beziffert werden. In Thüringen war das Gewerbe nicht auf die Städte konzentriert. Die Grundherrschaft sicherte den Bauern im Vergleich zur ostelbischen Gutsherrschaft relativ günstige Feudalbeziehungen. Sie waren persönlich frei und besaßen das Recht, den Boden zu vererben, hierfür mußten sie einen Erbzins an den Adel leisten. Die Einnahmen des Adels bestanden aus der Bede, einer Art Grundsteuer, und den Frondiensten.

1833 trat auch Sachsen-Altenburg dem Zollverein bei, "ein wichtiger Schritt zur Überwindung kleinstaatlicher Schranken" (91).

Die Städte Weimar und Jena gehörten nicht zum Land Sachsen-Altenburg. Tendenziell ist Sachsen-Altenburg konservativer orientiert als Sachsen-Weimar. Diese größere Bereitschaft an Traditionellem festzuhalten, läßt sich auch für die Strafanstalt belegen. Zum 1. Januar 1869 wurde die Depesche mit der Aufforderung, den Zuchthaussträflingen die Fesseln abzunehmen, umgesetzt (92). Damit war Sachsen-Altenburg das vorletzte Fürstentum Deutschlands, das das Tragen von Ketten im Strafvollzug abschaffte. Die geistesgeschichtlichen Impulse, die von Weimar und Jena ausgingen (93), haben nicht nur auf den deutschen oder europäischen Raum gewirkt, sondern auch auf ihr unmittelbares Umfeld. An der Jenaer Universität studierten nachweislich Runkwitz und Leschke (94), sicher auch noch weitere Leuchtenburger Pastoren. Vollkommen spurlos kann die geistesgeschichtliche Atmosphäre Jenas an diesen Studenten nicht vorübergegangen sein.




zurück Magisterarbeit Index mailto: weiter