2 Beschreibung und Diskussion der Quellen



2.1 Die Autoren der Quelle



Unterhalb der Burg liegt das Dorf Seitenroda. Das dortige Pfarramt war für die Leuchtenburg bis 1838 zuständig. Es war verantwortlich für die seelsorgerische Betreuung und schulische Weiterbildung der Insassen der Leuchtenburg.

Muche nennt für 1727 einen Pfarrer Clauder (1). Ein Reskript aus dem Jahre 1750 nennt die Autoren Johann Heinrich Weißnerem sowie Johann Samuel Bergmann, der dessen Arbeit weiterführte (2). Drei weitere Autoren sind aus einem anderen Rescript (3) zu erschließen. Der Autor dieser "Fortgesetzten Samlung der eingegangenen hohen Rescripte die Aufnahme der Armen und Züchtlinge betreffend" (4) meint, "den Anfang machte mein Vorfahre der Herr Pfarrer Bürger worin dann fortfuhr Johann Friedrich Wilhelm Tellr. und dann Ernst Martin Longolius" (5).

Namentlich sind die weiteren Pastoren von Seitenroda und der Leuchtenburg bis 1816 nicht faßlich. "Christian Friedrich Bartholomai, welcher seit 1816 von Seitenroda aus das hiesige Pfarramt mit verwaltet hatte" (6), ist ein Autor der Quelle. 1836 bewilligten die Landstände für die Stelle eines besonderen Pfarrers der Leuchtenburg 275 Taler. Diese Stelle wurde 1838 mit Heinrich Julius Runkwitz (7) besetzt, der 1847 verstarb. Hermann Robert Lange (8) wird als Vorgänger von Karl Heinrich Gustav Leschke (9), der das Pfarramt 1855 übernahm, genannt. Zwischen 1816 und 1871 liegt eine wahrscheinlich vollständige Liste der Autoren vor (10).

Die Autoren sind nicht direkt durch die Quelle erschließbar (11). Erst ab 1856 tritt der Pastor Leschke durch die Art und Weise seiner Berichte, Beschreibungen von Lebenswegen und Beurteilungen der Charaktere der Gefangenen, aus der Quelle heraus in Erscheinung. Leschkes Intentionen und Vorurteile können aus der Quelle ansatzweise erschlossen werden.



2.2 Die Quelle



Die Pastoren führten ein Journal bzw. Generalverzeichnis der Gefangenen der Leuchtenburg. Jeder Häftling der Leuchtenburg wurde in diese Listen handschriftlich mit Tinte eingetragen. Interpolationen sind nicht aufgefallen und sind auch kaum zu erwarten gewesen. Die Art der Quelle und die erkenntnisleitenden Interessen der Untersuchung ermöglichen die Vernachlässigung einer eingehenderen Ermittlung derartiger späterer Nachträge anderer Autoren. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Arbeit ein authentischer Text zu Grunde liegt. Die Journale liegen in Urschrift vor, d.h. sie sind keine Abschriften. Diese von den Seelsorgern der Leuchtenburg erstellten Primärquellen werden durch die Magisterarbeit erstmals erschlossen.

147 Jahre wurden die persönlichen Daten der Anstaltsinsassen, die Art ihrer Straffälligkeit und teilweise vieles mehr aufgezeichnet. Bei der untersuchten Quelle handelt es sich um eine Massenquelle (5195 Personendaten), die nicht von den Angestellten der Leuchtenburger Anstalten, sondern von der Kirche erstellt wurde. Die protestantische Landeskirche in Sachsen-Altenburg ist im Untersuchungszeitraum Teil der staatlichen Administration und ihr unterstellt. Hieraus ergab sich für die Pastoren die Aufgabe, die Häftlingslisten auf der Leuchtenburg zu führen. Die "fiktive" Trennung zwischen kirchlicher und staatlicher Administration der Leuchtenburger Anstalten ergibt sich aus dem Wunsch, die einzelnen Quellengruppen nach ihrem heutigen Aufbewahrungsort zu trennen. Die Akten, die das Aufsichtspersonal der Anstalten erstellte, befinden sich im Altenburger Staatsarchiv. Die Akten der Häftlinge, die die Pastoren fertigten, sind im Pfarramt Unterbodnitz aufbewahrt. Diese sind Gegenstand der Arbeit.

Die meisten Aktenstücke besitzen bereits Archivierungsnummern. Die Lesbarkeit und der Erhaltungszustand der bearbeiteten wie auch der durchgesehenen (z.B.: Reskripte des Schriftverkehrs mit den Heimatgemeinden etc.) Quellen sind insgesamt gut.

Der Aufbewahrungsort, ein Abstellraum mit Holzschränken, entspricht sicher nicht neueren Standards, um die Erhaltung und Sicherung (12) der Akten langfristig zu gewährleisten. Die Zugänglichkeit der Bestände ist am Ort nur in Ausnahmen möglich. Der Pastor hat seine Gemeinde zu betreuen und ist kein Archivar. Für die Arbeit war es wiederholt möglich, die Akten kurzzeitig zu entleihen und durch Mitarbeiter des Museums Leuchtenburg zu kopieren. Das Format der Journale war teilweise etwas größer als A3, so daß einzelne Seiten mehrmals kopiert und Journale erneut entliehen werden mußten, um den Inhalt voll zu erfassen. Fehler beim Kopieren wurden meist erst während der Übertragung der Akten in die Datenbank offensichtlich und mußten dann im Nachhinein korrigiert werden (13).

In vier Akten mit unterschiedlichem tabellarischen Aufbau erfolgte die Eintragung der Häftlinge. Nur die erste und vierte Akte haben einen Titel. Für die zweite Akte ist noch keine Archivierungsnummer vergeben worden.

  1. Akte: Generalverzeichnis der auf die Leuchtenburg eingelieferten Personen von 1724- 1794, A3. Es enthält die Häftlinge Nr. 1-1960.
  2. Akte: Es enthält die Häftlinge Nr.: 1954-4120. (14)
  3. Akte: A7. Es enthält die Häftlinge Nr.: 4121-4769.
  4. Akte: Journal für das Pfarramt Leuchtenburg, A8. Es enthält die Häftlinge Nr.: 4770-5187.

Sowie Ergänzungen zu einzelnen Personen, die sich aus der Conduiten = Liste 1843/49 (ohne Archivierungsnummer) ergeben.

Die in die Haftanstalt Leuchtenburg eingelieferten Häftlinge wurden durchgängig numeriert. Die Akten weisen nur relativ wenige Ungenauigkeiten auf. Nur einige Male wurde eine Häftlingsnummer mehrmals vergeben. Die mehrfach vergebenen Häftlingsnummern werden in den Akten durch Buchstaben unterschieden. Nicht benutzt wurden die Häftlingsnummern 1353, 2044, 2384 (in der Akte aufgeführt: 2383/4), 2403 (2402/3), 2526 (2525/26) und 4669 (in der Akte ein freigelassener Platz, ohne Numerierung). Der Häftling 2116 ist mit dem Häftling 2114 identisch, hier liegt ein offensichtlicher Fehler der in die Akte eintragenden Person vor. Die Häftlingsnummern 1135 und 1136 dienen jeweils der namenlosen Erfassung von je 8 Zigeunern. Unter Berücksichtigung der aufgeführten Fehler ergibt sich eine Häftlingszahl für die Leuchtenburger Anstalten von 5195. Die letzte vergebene Häftlingsnummer (5187) entspricht somit nicht der Gesamtzahl der Häftlinge auf der Leuchtenburg (5195). Die Differenz zwischen der Gesamtzahl der Häftlinge (5195) und der Anzahl der Datensätze der Datenbank (5196) ergibt sich aus dem von der Quelle übernommenen Fehler bei der Eintragung des Häftlings 2116/2114.

In der Kodierungsliste (15) sind alle von der Quelle verwendeten Bezeichnungen und deren Handhabung im einzelnen vermerkt. Sprachliche Besonderheiten spielen durch die Art der Quelle keine wesentliche Rolle. Zur Interpretation des gewonnenen Datenmaterials werden einzelne exemplarische Beurteilungen der Pastoren (Lebens-weg und Charakter) mit herangezogen.

Bestandteile aller Tabellen sind Nummer, Name, Geburtsort, Geburtsjahr (16), Stand (Beruf), Vergehen, Ankunft, Strafart (Anstaltstyp), Strafdauer und Entlassung. Durch die unterschiedlichen Tabellenschemata sind für einen Teil der Häftlinge noch der Geburtsname der Frauen, Aufenthaltsort, Alter, Familienstand, Familienstand der Eltern, Anzahl der Kinder, Vorstrafen, das Datum des Reskripts, Lebensweg, Charakter, einliefernde Behörde, unterschiedliche Strafen während des Gefängnisaufenthaltes, Häftlingsklasse (17), Fesselarten und Bemerkungen vorhanden.

Eine weitere Quelle ist die ebenfalls von den Pastoren geführte Ortschronik Schloß Leuchtenburg 1838-1871. Die Chronik wurde erstellt auf Grund des Regulativs zur Führung von Ortschroniken durch die Geistlichen im Herzogtum Altenburg (18). Aus dem recht großen Aktenbestand des Pfarramtes Unterbodnitz wurden nach einer Durchsicht der Akten für die dort vorhandenen Aktengruppen einige Beispiele ausgewählt (19). Die Ortschronik, wie auch die Heranziehung weiterer von den Pastoren verfaßter Akten über die Leuchtenburger Anstalten dienen dem besseren Verständnis und der Illustration der aus den Häftlingslisten gewonnenen Aussagen.

Im Altenburger Staatsarchiv befinden sich die Unterlagen, die das Aufsichtspersonal der Leuchtenburg erstellte. Ein Vergleich der Akten des Altenburger Staatsarchivs mit denen, die die Leuchtenburger Pastoren erstellten, wird die Kenntnisse über die Anstalt und ihre Insassen deutlich verbessern. Der Arbeitsaufwand für die zusätzliche Erschließung der Akten des Altenburger Archivs übersteigt den Umfang des in dieser Arbeit Darzustellenden. Im Rahmen einer später anzustrebenden, weiteren detaillierteren Auswertung des Datenmaterials sind dann auch die Akten des Altenburger Archivs mit hinzuzuziehen. Hieraus ergäbe sich unter anderem die Möglichkeit der Gewichtung der Repräsentativität der Gefangenenpopulation der Leuchtenburg im Vergleich zu der des Landes Sachsen-Altenburg (20). Die Nutzung der Untersuchungen von Muche dient der partiellen Einschränkung dieser Defizite.

Ein Vergleich ähnlicher statistischer Untersuchungen wäre sinnvoll. Andere Zuchthausmonographien (21) gingen von anderen Fragestellungen und unterschiedlichen Quellen aus oder der Untersuchungszeitraum war nicht identisch. Nur die bereits zitierten Arbeiten Mayers und Ayaß werten statistische Daten über Delinquenten aus. Mayers Quellenbasis ist kaum mit der von dieser Arbeit zu vergleichen (22), außerdem spielt in seiner Untersuchung das Zuchthaus nur eine untergeordnete Rolle. Ayaß verwendet vergleichbare Quellen, sein Untersuchungszeitraum ist jedoch nicht mit dem meiner Arbeit identisch. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sind einzelne Ergebnisse Ayaßes oder Mayers mit denen der Auswertung der Häftlingslisten der Leuchtenburger Anstalten vergleichbar.

In Dublin (23) und in London (24) werden vergleichbare Häftlingslisten momentan statistisch bearbeitet. Die Arbeiten sind bisher noch nicht veröffentlicht. Der sehr unterschiedliche soziale und gesellschaftliche Kontext des Londoner und Dubliner (25) Gefängnisses wird den späteren Vergleich der Arbeiten erschweren. Beide Anstalten waren wesentlich größer als die Leuchtenburg. Die Häftlinge des doch eher ländlich geprägten Sachsen-Altenburg werden sich wahrscheinlich von denen der auch wirtschaftlich weiter entwickelten Metropole London unterscheiden. Die Dubliner Anstalt passierten bis zu 10.000 Häftlinge jährlich, um in die überseeischen Kolonien deportiert zu werden. Die Sozialstruktur des damals kolonial beherrschten Irlands wird sich sicher nicht nur während der "great famine" wesentlich von der Sachsen-Altenburgs unterscheiden. Der Vergleich der Leuchtenburger mit den irischen bzw. Londoner Häftlingen wird auch unter Berücksichtigung der genannten Schwierigkeiten eine lohnende Arbeit sein und helfen, die jeweiligen gesellschaftlichen Unterschiede bzw. Übereinstimmungen gut herauszuarbeiten. Die Auswertung der Häftlingslisten ermöglicht einen tiefen Einblick in das innere Gefüge der Gesellschaft. Der Vergleich verspricht die Möglichkeit, Besonderheiten der Entwicklungen pointierter herauszustellen.




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